Grün, Gerhard 2011: 06.02.2011 1-2

Meine Erinnerungen an Konrad Banz.  12.06.2006

Meine Bekanntschaft mit Konrad Banz begann im Jahr 1950.

Zusammen mit drei meiner Klassenkameraden - einer war der inzwischen verstorbene Wolfgang Grasnick - hatte ich mich in die Arbeitsgemeinschaft Junger Naturforscher im damaligen „Haus der Kinder" eingereiht, nachdem mir versichert wurde, das Konrad „sehr in Ordnung" sei. In diesem abseits vom Zentralhaus gelegenen Komplex gab es damals noch eine Gärtnerei mit Gewächshaus als Basis für die Arbeit und den Unterricht der Pflanzenleute durch Eva Feige, die sich um deren Aufbau und die Erhaltung verdient gemacht hatte.

Konrad hatte sich mit dem Aufbau der Station am Zentralhaus der Jungen Pioniere schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Als ich ihn kennen lernte, war er etwa 30 oder 31 Jahre alt, also schon recht erfahren. Er wurde, wie das in dem Hause üblich war, von allen geduzt, und in seiner Führungstätigkeit hat er sich durch seine weitreichenden Kenntnisse und seine ruhige, freundliche und bestimmte Wesensart Respekt und Vertrauen verschafft. Er konnte aber auch unbequem sein, und trotz äußerlicher Loyalität litt er doch ziemlich unter der, wie er sagte, „Holzhammerpolitik" einiger Kader, die für seine und Evas Entlassung verantwortlich waren.

Der wöchentliche Besuch in der Station Junger Naturforscher war für mich immer ein kleiner Höhepunkt außerhalb des normalen Schul- und Familienlebens. Es gab ja nicht nur totes Anschauungsmaterial sondern auch eine ganze Reihe von lebenden Tieren in Aquarien, Terrarien, Insektarien und Käfigen. Anfang der 50er lebte hier eine melanistische Ginsterkatze (wir fütterten sie heimlich mit weißen Mäusen, gewissermaßen als Farbkontrast) und einen grimmigen Waschbären, dazu Mäuse, Frösche, Schlangen und was sonst noch ein Naturforscherherz höher schlagen läßt. In dem mit Tischen und Stühlen ausgestatteten Stationsraum hörten wir Konrad aufmerksam zu, wenn er über die Tier- und Pflanzenwelt anschaulich dozierte und uns bei der präparativen Arbeit anleitete. Mit seinem Sammeleifer und seiner Präparierkunst bei Insekten und Kleinsäugern kam er unserer Wißbegier geschickt und verständnisvoll entgegen. Sein besonderes Interesse galt den Tierstimmen, und wir lernten von ihm die Gesänge vieler Vogelarten, die Rufe von Anuren (Froschlurchen) und das Zirpen von Heuschrecken und Grillen kennen. Mit viel Aufwand wurde der Inhalt der Gewölle von Schleiereule, Waldkauz und Steinkauz untersucht, dabei gelang auch mancher interessante Nachweis von Weißzahnspitzmäusen. Im Laufe von acht Jahren lernte ich in der Arbeitsgemeinschaft nahezu alle im Berliner Raum frei lebenden Arten von Mäusen, Spitzmäusen und Vögeln zu unterscheiden und wurde auch ziemlich sicher in der Kenntnis von Vogelfedern, zumindest des Großgefieders.

Auf unseren Exkursionen fingen wir am Tage unter anderem Fische, Libellen, Käfer und Heuschrecken, und nachts entnahmen wir Kleinsäuger aus Klapp- und Bodenfallen, die alle paar Stunden mit Hilfe von Taschenlampen kontrolliert werden mußten. Manchmal zupfte auch ein kleiner Singvogel an dem Köder der Mausefalle, der wurde dann präpariert oder zu einer „Rupfung" verarbeitet.


An einem schönen Frühjahrsmorgen zog Konni mit uns Kindern los in einen Laubwald (ich glaube bei Strausberg) und beauftragte uns mit dem Fangen von massenhaft vorkommenden Moorfröschen, die den Winter über als Futterreserve für Schlangen und andere Karnivoren dienen sollten. Die zappligen Lurche steckten wir in einen Sack mit feuchtem Laub, wo sie später notgedrungen in Winterstarre fallen mußten. Heute wird man nicht mehr auf derartige Quellen zurückgreifen, diese Frösche sind recht rar geworden und streng geschützt.

Unsere mehrtägigen Fahrten führten an die Wismarbucht (da war ich bei der Expedition Seewasser als Botaniker eingeteilt und habe Algen auf Papierbögen gesammelt und antrocknen lassen), zum Parsteiner See, ins Plagefenn und in den Spreewald zu Seeadler und Schwarzstorch. Einmal ging es auch in ein weitläufiges Pionierlager bei Dresden, wo uns die Wollhandkrabben in der Elbe fasziniert hatten, nachdem uns zum Wecken mit „Entgegen dem kühlenden Morgen" per Lautsprecheranlage der Optimismus ergriffen hatte.

An den Auslandsfahrten habe ich mich nicht beteiligt, aber schon die „Fangexpeditionen" an die Ostsee waren äußerst spannend, mußten doch die Fische und Garnelen lebend und gesund über acht bis zehn Stunden in Kanistern gehalten und mit Atemluft aus immer wieder aufzupumpenden Autoschläuchen versorgt werden. Ein unvergessener Höhepunkt war für mich wie wohl für die meisten Teilnehmer die Havelexpedition von 1954, fast schon abenteuerlich mit Zeltlagern, Rad- und Bootsfahrten und außerdem nützlich wegen der Mitarbeit an einem Pflanzenkartierungsprojekt. Hier wurde ich als „Instrukteur" eingeteilt, allerdings ohne recht zu wissen, wie ich die Kinder aus den entfernten, nur mit Rad zu erreichenden Nebenlagern instruieren sollte.

In dieser Zeit waren schon Klaus Kloss, Hans-Ulrich Schulze, Bodo Breuer, Ute Schilke geb. Kwiatkowski, Wolfgang Heinrich und Wolfgang Hoffmann bei der Truppe. Andere Namen sind mir leider entfallen.

Doch zurück zu Konni. Über seinen Ausbildungsberuf weiß ich nichts genaues, ich erinnere mich nur vage, daß es etwas Handwerkliches gewesen sein müßte, was ihm bei dem Bau oder Ausbau seiner Laube im Kleingarten zugute gekommen ist. Am Ende des 2.Weltkrieges geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde zusammen mit anderen Gefangenen nach Louisiana deportiert. Bei seiner Arbeit in der Holzfällerbrigade und in der großzügig gewährten Freizeit beobachtete er dort natürlich die lebende Natur. Dabei fertigte er Beschreibungen und Zeichnungen von Tieren an, um sie später, nach seiner Heimkehr, anhand von Büchern bestimmen zu können. Über den Verbleib dieser Aufzeichnungen ist mir nichts bekannt, und ich bekam sie auch bei ihm zu Hause nicht zu Gesicht.

Wieder zu Hause bei Frau und Tochter arbeitete er zunächst als Polizist und dann bei einer Versicherung. Hiervon zeugen noch die vielen Briefumschläge, in die er während der Exkursionen seine Kleinvogel-Rupfungen gesteckt hatte. Zum Biologielehrerstudium kam er erst später, das brauchte er zur Erlangung der Lehrbefähigung an der Station in der Wuhlheide und/oder Berlin-Weißensee.

Familie Banz wohnte seit undenklicher Zeit um zwei Ecken von der Wohnung meiner Eltern entfernt in der Berliner Ebertystraße, dort habe ich ihn noch bis in meine Studienzeit hinein besucht. Da gab es auch noch die „Interessengemeinschaft Zoologie", in diesem Rahmen hielt ich 1961 oder 1962 einen Farblichtbilder-Vortrag über die Vogelwelt der Fährinsel bei Hiddensee.

Über eine Reihe von Jahren fuhren wir zwischen Weihnachten und Neujahr nach Zingst zu vorwiegend ornithologischen Exkursionen, wobei für Konrads private Federsammlung auch viele Rupfungen als Ausbeute angefallen sind. Abends gab es Spiele, Musik und Tanz, dabei hatte sich „Wong Chi" als Pianist Freunde gemacht und manchem Mädel mit seinem Charme den Kopf verdreht.